FCI Legenden

Uli Langenhorst: Genie und "Schlimmer Bube"

Das Allgäu staunte

 

Als 1967 Karl-Heinz Böck einen zu dieser Zeit in einer Sonthofener Kaserne stationierten Freund der Familie zum Training der 1. Mannschaft mitbrachte, konnte man noch nicht ahnen, welchen Diamant das Schicksal da dem Immenstädter Fußball zugespielt hatte. Der eigentlich schmächtig wirkende Blonde aus Werl in Westfalen präsentierte sich sofort als herausragender Akteur mit einem fußballerischen Potenzial, wie man es bis dato auf Allgäuer Plätzen noch nicht gesehen hatte. Unnachahmlich seine typische, immer wieder praktizierte und doch unwiderstehliche Parade-Aktion: Annahme des hoch angespielten Passes mit der Brust, blitzschneller explosiver Antritt, Slalom durch die vergebens „mähende“ gegnerische Abwehr und abschließender vehementer Torschuss – auch aus großer Entfernung. Ein trotz nur mittlerer Körpergröße hervorragendes Kopfballspiel und ein weder den Gegner noch sich selbst schonender Kampfgeist stilisierten ihn zum Idealbild eines „Reißers“.

 

Respektiert, gefürchtet, bekämpft

 

Die sagenhafte Immenstädter „Tormaschine“ verschaffte sich einerseits Respekt und Anerkennung ob seines Könnens, war aber gleichzeitig für die gegnerischen Mannschaften ein Schreckgespenst wie Pest und Cholera… Als Gegenmittel verblieb diesen zumeist nur, „blutgrätschende Vollstrecker“ auf ihn anzusetzen. Zumeist mit wenig Erfolg, wovon die Tatsache zeugt, dass in den kriselnden Jahren zum Ende der Siebziger Jahre in allererster Linie Uli Langenhorst es war, der mit unzähligen Toren dem Verein den Verbleib in der A-Klasse sichern konnte. Eigentlich schade, dass Langenhorst mit seinem fußballerischen Genie so leichtfertig umging, denn ganz ohne Zweifel hätte er das Rüstzeug zu Größerem gehabt. Die einzige Anwandlung, wenigstens einen kleinen Schritt in diese Richtung zu tun, bestand aus einem halbjährigen Intermezzo beim TSV Sonthofen. Glücklicher FC Immenstadt, der somit der große Profiteur bleiben konnte.

 

Uli, der „Schlimme Bube“

 

Der kompletten Glorifizierung stand nur eines im Wege: er sich selbst. Die Tormaschine war in Wahrheit eben auch nur ein Mensch. Zu der wohl allen Fußballsolisten eigenen und leicht verzeihbaren Schlitzohrigkeit gesellte sich nämlich zuweilen leider auch ein gewisser Mangel an Teamfähigkeit. Weniger seine egozentrische Spielweise als vielmehr seine gelegentlichen verbalen Ausbrüche gegenüber Mitspielern und Vereinsoberen schlugen auch auf den normalerweise unempfindlichsten Magen. Die deswegen gegen ihn verhängten Sanktionen waren aber regelmäßig nicht von langer Dauer. Sie fanden jeweils ein schnelles, pragmatisch begründetes Ende, spätestens zu dem Zeitpunkt, wenn man sich jäh der sportlichen Tragweite bewusst wurde. Nicht von ungefähr kursierte in dieser Zeit deshalb das Gerücht, dass sich die Club-Verantwortlichen in regelmäßigen Abständen mit Gebetsteppich und Weihrauchkessel „bewaffnet“ zur Bittprozession zu seiner Wohnstätte nach Stein auf den Weg machten…

 

Uli der Trainer

 

Selbstredend, dass nach Beendigung seiner über 300 Spiele andauernden aktiven Karriere ein Buhlen um seine Dienste als Trainer einsetzte, dem sich der Vollblutfußballer auch nicht verschließen mochte. So coachte er für seinen FCI zunächst die B-Jugend zur südschwäbischen Meisterschaft (!) und anschließend während einer Saison die 1. Mannschaft zu einem vorderen Tabellenplatz in der A-Klasse. Auch seine zweijährige Tätigkeit als Spielertrainer beim SSV Niedersonthofen wurde mit dem Erreichen eines Aufstiegsplatzes gekrönt.

 

Uli der Privatmann

 

Heute gehen Langenhorsts Beziehungen zum Fußball nicht mehr über das allgemeine Interesse eines „Herrn Jedermann“ hinaus und zu seinem alten Verein pflegt er nur noch sehr lose Kontakte. Der Stress in seinem Beruf als Abteilungsleiter für Haustechnik, Arbeitssicherheit und Umwelt bei der Kunert AG würde ihm ohnehin nur noch wenig Zeit hierfür lassen. Die große Leidenschaft des in zweiter Ehe glücklich Verheirateten gehört mittlerweile ganz dem Segelsport, der ihn in Begleitung seiner Gattin mittlerweile schon in alle Winkel der Welt führte.

Peter Sirch: Ein Immenstädter im Bundesliga-Tor

Wie bei so vielen gestandenen Allgäuer Sportlern schlug auch in der Brust des Peter Sirch neben seinem Fußballer-Herz auch noch ein zweites für den Skisport. Und eigentlich war es sogar seine vornehmliche Zielstellung, als Ski-Rennläufer Karriere zu machen. Zum Mitglied im B-Kader der Ski-Nationalmannschaft hatte er es dabei schon gebracht, als nach Abschluss seiner Schulzeit im Ski-Gymnasium Berchtesgaden die Weichen doch anders gestellt wurden.

 

Denn auch im Fußball war Peter beileibe kein unbeschriebenes Blatt, war er doch als Jugendspieler des FCI in den Kader der bayerischen Auswahl berufen worden – für einen Kicker aus der im Verständnis der Münchner Verbandsoberen „tiefsten Provinz“ eine besondere Auszeichnung. Die dabei geknüpften Kontakte zu den Münchner Großclubs führten dazu, dass sich der soeben in die Bayernliga zwangsversetzte TSV 1860 auf der Suche nach einem neuen Spielerkader an das Torwarttalent aus dem Allgäu erinnerte und eine entsprechende Anfrage an ihn richtete. Obwohl selig, endlich wieder seinen hervorragenden Torwart zurück gewonnen zu haben, aber um seinem untadeligen Kameraden die Karriere nicht zu verbauen, verzichtete der FCI auf die gerade erst erstandenen Transferrechte und lieferte Mann und Spielerpass an der Grünwalder Straße ab.

 

Bei den „Löwen“ wurde er aber nicht glücklich, so dass er nach drei Jahren vergeblicher Mühe, die Konkurrenz aus dem Feld – sprich Tor – zu schlagen, dem Ex-Bundesligisten den Rücken kehrte. Dass ihn sein Weg schnurstracks nur ein paar hundert Meter weiter ausgerechnet in die Arme des verhassten „roten“ Lokalrivalen führte, wurde ihm naturgemäß übel genommen und bekam Peter später bei den Bayernliga-Derbys zwischen den Bayern-Amateuren und den „Löwen“ deutlich und oft unsanft zu spüren. Was er jedoch leicht verschmerzen konnte, denn als Stammtorwart der Amateur-Mannschaft mit besten Referenzen avancierte er bald zum ersten Ersatzmann des legendären Jean-Marie Pfaff und dessen Nachfolger Raimund Aumann im Profikader. Erst als Jupp Heynckes die Nachfolge von Trainer Udo Lattek antrat und seinem persönlichen Schützling Sven Scheuer den Vorzug gab, brach Sirch seine Zelte in München ab und heuerte im Sommer 1989 beim soeben in die österreichische 1. Bundesliga aufgestiegenen SV Casino Salzburg an. „Das war sportlich meine schönste Zeit. Ich war ein Jahr Stammtorhüter in der Bundesliga, doch dann zog ich mir eine schwere Verletzung zu“, erinnert sich Sirch gerne an diesen Abschnitt.

 

Während der Winterpause 1991/92 wechselte er dann – nach einer langen Verletzungspause ins zweite Glied abgerutscht und als zwischenzeitlich überzählig gewordener ausländischer Kontingentspieler nicht mehr so gelitten – als 2. Torwart zum aufstrebenden Münchner Vorstadtverein Unterhaching und erlebte dort dessen Aufstieg in die 2. Bundesliga mit. Allerdings verdross ihn zusehends das Reservistendasein, so dass er nun ins Trainerfach wechselte und bei den Hachingern die Profi-Torhüter unter seine Fittiche nahm. Nach sieben Jahren Unterhaching wechselte er noch einmal seinen Arbeitgeber und stellte sich 2003 in gleicher Funktion als Torwarttrainer in den Dienst des TSV 1860 München. Mit dem Ende der Ära Maurer als Löwen-Trainer beendete schließlich auch Peter Sirch seine Tätigkeit an der Grünwalder Straße. Bei all seinen Engagements erfreute sich Peter Sirch außerordentlicher Beliebtheit in Anerkennung seines untadeligen Auftretens, seiner bedingungslosen Loyalität und seinem stillen aber zuverlässigen Wirken ausnahmslos im Interesse von Mannschaft und Verein. Heue betreibt Peter zusammen mit seiner Gattin Ursula ein Schuhgeschäft in Heimstetten an der Peripherie Münchens und blickt mit Wohlgefallen auf seinen offensichtlich erblich belasteten Filius Marco, der in der B-Junioren-Regionalliga spielt und – ganz der Vater – bereits seinen Vereinswechsel vom TSV 1860 zum FC Bayern hinter sich hat.

Die Gammels: Eine Familie lebt den FCI

„Gammel“ als Synonym für FC Immenstadt

 

Der F.C. Immenstadt 07 und die Familie Gammel: Das steht fast für ein Synonym oder eine mathematische Gleichung, zumindest aber für eine nibelungentreue Liebesbeziehung zwischen einer fußballbesessenen Familie und „ihrem“ Fußballclub. Auf Beweise dafür stößt man allerorts auf Allgäuer Fußballplätzen – und darüber hinaus – immer dann, wenn Fußballer aus Immenstadt auftreten oder das Gespräch auf den Immenstädter Fußball gelenkt wird. „FC Immenstadt? Da waren doch diese drei Brüder, wie hießen die doch gleich? Einer war so ein Riese. Gibt es die noch bei euch?“ Immer wieder werden diese gleichen Fragen gestellt, vornehmlich von Augenzeugen der aktiven Zeit dieses Trios, die sich von den Anfängen der Fünfziger Jahre über den langen Zeitraum von fast 20 Jahren erstreckte. Patron des „Clans“ – wie der feste Familienverband liebevoll im modernen Sprachgebrauch genannt wird – war und ist unangefochten Gottfried, der Älteste. Seine hünenhafte Gestalt und die dadurch bedingte absolute „Lufthoheit“ prädestinierten ihn von vorneherein zu einem Turm in der Abwehr, zu einem gestandenen „Stopper“ alter Prägung, wobei er es in dieser auf ihn zugeschnittenen Rolle zu überregionalem Ruhm brachte. Weil Gottfried sich auch in gegnerischen Strafräumen (nicht selten unter Zuhilfenahme seiner ebenfalls überdimensionalen Hände) eine Bahn zu brechen vermochte, gelangte somit bereits lange Zeit vor Horst Hrubesch das Prädikat „Kopfball-Ungeheuer“ in den Sprachgebrauch der Fußballer.

 

Gammel-Läuferreihe für Gegner „Achse des Bösen“

 

Seine wenige Jahre jüngeren Brüder Josef („Jupp“) und Erich („Axel“) taten es ihm schließlich mit Feuereifer gleich und reihten sich nach ihrem Übertritt von der Jugend ohne Umschweife erfolgreich in die bereits vom großen Bruder Gottfried dominierte 1. Mannschaft ein. Die nach dem damaligen Spielsystem aufgestellte „Läuferreihe“ wurde zeitweise komplett von den drei Gammels gebildet und soll sich nach Aussage von Zeitzeugen wegen ihrer sprichwörtlichen Kompromisslosigkeit in den Augen der Gegnerschaft als leibhaftige „Achse des Bösen“ dargestellt haben…

Waren bereits Leistung und Einsatzbereitschaft auf sportlichem Sektor von unschätzbarem Wert für den Verein, so wirkte sich vor allem anderen das nie ermüdende umtriebige und den Rahmen der jeweiligen persönlichen Möglichkeiten voll ausschöpfende Schaffen der Familie als „Kümmerer“ in allen Bereichen des Vereinslebens geradezu segensreich aus.

 

Totales Engagement für den Verein segensreich

 

Clan-Führer Gottfried geriet schon bald in die Rolle eines „Übervaters“ und erwies sich dabei insbesondere als die Integrationsfigur im Verein, dessen Sachverstand, Lebenserfahrung und massenhaft vorhandenes Herzblut für die grün-weiße Sache sowohl bei kleineren Problemchen als auch bei ernsten Schräglagen des Vereins gern gefragt und stets abrufbar waren und in unzähligen Fällen entscheidend zur jeweiligen Problemlösung beitrugen. Überdies sprang „Gottl“ zu allen Zeiten klammer Finanzlagen des Vereins als warmherziger Mäzen in die Bresche, nicht selten auch in Form geldwerter Sachspenden aus dem Kühllager seiner Metzgerei. Allerdings: Bei Versuchen, ihn von einer vorgefassten Meinung abzubringen, durfte man sich nicht wundern, auf Granit zu beißen. Kein Wunder, hat man es doch mit dem „Urgestein“ des Immenstädter Fußballs zu tun...

 

„Küken“ Erich wurde nach seiner aktiven Zeit von seinem damals als Jugendleiter fungierenden Bruder Josef kurzerhand als Trainer für den jüngsten FCI-Nachwuchs mit in das Boot gezogen, eine sensible Aufgabe, die der fälschlich als „kantig“ Vorverurteilte mit Bravour löste und dabei eine heute unüblich gewordene Konstanz an den Tag legte: Über 10 Jahre lang betreute er die Fußball-Novizen dieser Altersgruppe und war damit an maßgeblicher Stelle an der Grundsteinlegung zur erfolgreichen Gammel´schen Jugendarbeit im FCI beteiligt.

 

Nach Tod von „Jupp“: FCI im Schockzustand

 

Am nachhaltigsten jedoch drückte der „Mittelmann“ des Brüdertrios, Josef, dem Verein seinen ganz persönlichen Stempel auf. Nach Ende seiner aktiven Karriere brachte der als Tiefbauingenieur aus der Metzger-Familientradition Ausgescherte seine unbändige Energie unverzüglich als verantwortlicher Funktionär in den Verein ein. Zunächst fungierte er als Spielleiter der erfolgreichen 1. Mannschaft Ende der Sechziger Jahre, um daran anschließend für sagenhafte 12 Jahre ununterbrochen die Jugendabteilung zu leiten, die er zu bis dato nicht mehr erreichten Erfolgen führen konnte. Schlussendlich beriefen ihn die FCI-Mitglieder an die Spitze ihres Vereins, ein Amt, das er mit einer Unterbrechung in den Neunziger Jahren insgesamt 15 Jahre (!) ausfüllte.

 

Diese mit Abstand längste Amtszeit eines Vorsitzenden sowie seine emsige Bautätigkeit auf dem Sportareal um den Auwaldsee ließen ihn als den „Großen Vorsitzenden Jupp“ in die FCI-Historie Einzug halten. Sein völlig unerwarteter Tod im Jahre 2005 bereitete nicht nur der trauernden Familie unsäglichen Schmerz, sondern versetzte den FCI geradezu in einen lähmenden Schockzustand. Damit wurde in das Vereinsleben eine Lücke gerissen, deren Dimensionen bis heute noch nicht zur Gänze überschaubar sind, geschweige denn gar nur im Entferntesten geschlossen werden konnte.